Neurofeedback-Training

ADHS: Hirnströme steuern Computer

Kinder mit ADHS profitieren von einem Neurofeedback-Training. Die Symptome wie Impulsivität, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizit werden nach Studiendaten mindestens sechs Monate deutlich gelindert.

Neurofeedback-Training

Neue ADHS-Therapie: Über Kabel am Kopf wird der Computer gesteuer.

© neuroconn

GÖTTINGEN (eb). So wie sich Menschen selbst Chaos und Stress im Kopf machen können, so können sie die Kraft ihrer Gedanken auch gezielt nutzen, um ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren.

Ein Neurofeedback-Training bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zielt genau darauf ab. Dabei macht man sich zunutze, dass das Gehirn die Fähigkeit besitzt, unbewusste Körpersignale willentlich zu lenken.

Forscher um den Göttinger Psychologen Holger Gevensleben haben nun die Wirksamkeit eines solchen Neurofeedback-Trainings bei Kindern mit ADHS in einer multizentrischen, randomisierten Studie untersucht (Eur Child Adolesc Psychiatry 2010: 19: 715).

Dabei wurden die Kernsymptome wie Impulsivität, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizit mindestens sechs Monate lang verringert, und zwar um durchschnittlich 25 bis 30 Prozent im Vergleich zu 10 bis 15 Prozent in einer Kontrollgruppe mit konventionellen Aufmerksamkeitstraining.

Gute Ergänzung

“Neurofeedback ist daher eine gute Ergänzung der medikamentösen Therapie und sollte allen Kindern mit ADHS zugänglich sein”, so Gevensleben in einer Mitteilung des Unternehmens Shire.

Die Studie ist kürzlich von der Zeitschrift “European Child & Adolescent Psychiatry” als beste ADHS-Forschungsarbeit des Jahres 2010 ausgezeichnet worden.

Nach den Angaben nahmen an der Studie 102 Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren teil. Die Kinder wurden nach dem Zufallsprinzip einem Neurofeedback-Training oder einem computergestützten Aufmerksamkeitstraining als Kontrollgruppe zugeordnet.

Das Neurofeedback bestand dabei aus einem sogenannten Theta-Beta-Training sowie einem Training der sogenannten langsamen kortikalen Potenziale (slow cortical potentials, SCPs). Thetawellen sind niederfrequente Gehirnwellen, die Unaufmerksamkeit signalisieren.

Beta-Aktivität zeigt hingegen fokussierter Aufmerksamkeit an. Beim Theta-Beta-Training lernen die Kinder, bewusst die Thetawellen zu reduzieren und Beta-Aktivität zu verstärken. Dabei werden vor allem Aspekte der Daueraufmerksamkeit trainiert.

Belohnung auf dem Bildschirm

Wie bei der Elektroenzephalografie (EEG) werden beim Neurofeedback die Gehirnstromkurven für den Therapeuten auf einem Bildschirm sichtbar gemacht.

Die Kinder können auf einem zweiten Bildschirm anhand von Balken erkennen, ob vermehrt die zu reduzierenden Theta- oder die zu erhöhenden Betawellen aktiv sind.

Sobald es den Studienteilnehmern gelang, die Thetawellen auf ein bestimmtes Maß zu reduzieren und vermehrt Betawellen zu produzieren, setzte sich zur Belohnung auf ihrem Bildschirm ein Rennwagen in Bewegung. Bei anhaltender Konzentration blieb der Wagen in Fahrt.

Im zweiten Trainingsblock sollten die Kinder lernen, die langsamen kortikalen Potenziale gezielt zu beeinflussen. Diese stehen in engem Zusammenhang mit der situationsangemessenen Zuweisung von Aufmerksamkeit auf Außenreize.

Therapie weiter optimieren

Durch das Training soll die Fähigkeit zum schnellen, den situativen Anforderungen entsprechenden Umschalten der Aufmerksamkeit gestärkt werden.

Dazu hatten die Kinder die Aufgabe, eine sich horizontal über den Bildschirm bewegende Kugel innerhalb von acht Sekunden (je nach Anweisung) durch Gehirnaktivität entweder nach oben oder unten zu lenken.

Die Kombination der beiden Verfahren ist nach Ansicht von Gevensleben nicht unbedingt erforderlich. Er hält zum Beispiel 25 bis 40 Sitzungen ausschließlich mit Theta-Beta-Training für eine sinnvolle Therapie.

Zukünftige Studien müssen nun zeigen, wie das Neurofeedback-Training weiter optimiert und in eine multimodale Behandlung für Kinder mit ADHS eingebettet werden kann.